Die Geschichte der klassischen philosophischen Ästhetik und deren Wahrnehmung liegt in dem Denkfehler, dass sich Ästhetik mit dem „Schönen“ befassen müsse. Das hat spätestens der Hegel-Schüler Karl Rosenkranz revidiert, was ihm aber nicht gelang, war diese Haltung durchzusetzten. Wenn auch eine leider verstorbene Kollegin sich immer beschwerte, dass die styrischen Frauen da so schlecht wegkommen würden, philosophisch herausragend ist das Buch dennoch.
Dass aus der subjektiven Sicht das Häßliche reizvoller ist als das Schöne, das belegt die Geschichte der Künste stets aufs Neue. Das Paradies Dantes aus seiner Divina comedia gilt als zäh, die Hölle als Lesespass. Die sogenannte Kleine Nachtmusik, eigentlich Serenade KV 525, als minder interessant, Bernd Alois Zimmermanns Musik als anregend, wenn auch nicht einfach. Zuletzt das Beispiel, das diesem Beitrag seinen Titel gibt. „Schöne“ Madonnen versus „häßliche“ Säuglinge.
Das ist nicht despektierlich gemeint, sondern ein Tatbestand der beim naiven Betrachten von Künstschätzen deutlich wird und dies ist ein hohes Gut, wenn ein Mensch dies bei Kunst kann. Navid Kermani, selbst Moslem, aber in den Quellen christlicher Theologie besser bewandert als mancher Priester oder Fachtheologe, hat in seinem schönen Buch mit dem Titel Ungläubiges Staunen. Über das Christentum darauf aufmerksam gemacht, dass hier tatsächlich ein dialektisches Missverhältnis vorliegt. Das zeigt er beispielhaft am Christuskind (Perugia, um 1320) im Bode-Museum zu Berlin. [1]
Freilich, das gilt nicht für alle Kunstwerke dieser Art, wie primitive Verallgemeinerungen – man denke an Theodor W. Adornos böses Wort in Bezug auf Relativismus in Kunstdingen – noch niemand genützt haben, aber der Tatbestand ist doch bemerkenswert. Dieser Beitrag sei von Herzen einem lieben Freund und Kollegen und dessen lieber Familie, dessen Facebook-Feiertagsbotschaft mich auf diese Gedanken brachte, zugeeignet. Ich bleib dabei: das Gedicht von Paul Gerhardt ist ganz schlimm pietistisch…
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[1] Navid Kermani: Ungläubiges Staunen. Über das Christentum, München 2015, S. 14–20.